Per Email erreicht mich eine Anfrage, diese ist sehr eilig,
die Urnenbeisetzung soll schon zwei Tage später stattfinden.
Ich wähle die hinterlassene Nummer und spreche mit der
Tochter der verstorbenen Frau, sie erklärt mir sie habe am Vorabend einen
Redner zum Hausbesuch bei sich gehabt, der wäre ihr vom Bestattungshaus
empfohlen worden, sei aber leider nicht nach ihrem Geschmack gewesen.
Ich schlucke erstmal und stelle dann weitere Fragen,
daraufhin erfahre ich, dass „mein Kollege“ wohl sehr am Geschmack der Familie
vorbei geredet hat und man sich eine Trauerfeier unter seiner Leitung nicht
vorstellen kann.
Obwohl mit etwas mulmig dabei ist, verabrede ich mich mit
der Dame für den späten Nachmittag und lege auf.
Auf dem Weg zu der Familie überlege ich, was wohl schief
gegangen sein könnte, den der andere Redner ist mir bekannt und schon viele
Jahre im Beruf.
Schließlich sitze ich mit Frau H. am Esstisch und bei einer
Tasse Kaffee erfahre ich die näheren Umstände. „Mein Kollege“ hat vorab per
Email einige Informationen über die verstorbene Mutter von Frau H. erhalten und
daraus schon mal das Gerüst der Rede gestrickt, die Feinabstimmung sollte dann
eben mit Frau H. erfolgen. Während der Lektüre des Manuskriptes merkte Frau H.
dann sehr fix, dass es so gar nicht nach ihrem Geschmack war, es war die Rede
von Schutzengeln und am Ende der Rede sollte das „Vater Unser“ gebetet werden.
Außerdem störten sie Formulierungen wie: „wir trauern“, „wir vermissen“ oder „wir sind
traurig“, auf Nachfrage habe der Kollege empört gefragt, ob man ihn
ausschließen wolle.
Auf diese Frage erhielt er von Frau H. ein klares JA,
vielmehr erklärte sie ihm dann, dass es sich schließlich nicht um seine Mutter
handeln würde, er nicht in Trauer sei und er nicht zur Familie gehöre. Zack,
das hat gesessen!
Im Laufe der Nacht sei ihr dann klar geworden, erklärte mir
Frau H. dass dieser Redner nicht in Frage komme und sie daraufhin im Internet
nach Rednern gesucht habe, dabei sei sie auf mich gestoßen.
Sosehr mich das auch freut, bin ich dennoch vorsichtig und
frage Frau H. was denn ihr Wunsch ist für die Trauerfeier ihrer Mutter. Ich
erfahre, dass man mit Bedacht keinen Pfarrer wollte, weil die ganze Familie
eher kirchenfern sei und man den frommen Schmus nicht hören will. Deshalb sei
das entsetzen auch groß gewesen, als der andere Redner von Schutzengeln sprach
und auch beten wollte.
Ich stelle noch einige Fragen und erfahre dabei, dass Frau
H. von Beruf Psychiaterin mit eigener Praxis ist, daraufhin frage ich noch
gezielter und bemühe mich jeglichen „Fettnapf“ großräumig zu umfahren.
Vor meinem inneren Auge sehe ich förmlich den Kollegen auf
ihrer Patientencouch liegen…
Schließlich habe ich genügend Material zusammen und glaube
auch die Geisteshaltung von Frau H. erkannt zu haben, sodass ich mich
verabschiede.
An der Tür erklärt mir Frau H. sie habe meinem Kollegen
bereits abgesagt, dieser habe daraufhin per Mail seine volle Rechnung
zugestellt, sie sei aber gerne bereit, nun zwei Redner zu bezahlen, Hauptsache
es wird nicht gebetet oder von Schutzengeln erzählt!
Ich versichere ihr, dass ich das nicht beabsichtige und gehe
durch den Vorgarten zurück zu meinem Wagen.
Insgesamt ist mir die Situation trotzdem unangenehm, der
Kollege wird zwangsläufig erfahren, dass ich den Auftrag nun habe, da sich Frau
H. auch beim Bestatter mittlerweile Gehör verschafft hat und dort berichtet
hat, dass der empfohlene Kollege nicht passend war und nun Herr Hein von ihr
beauftragt wurde.
Andererseits bin ich nicht verantwortlich für die
Arbeitsweise des Kollegen, er hätte sich schon beim Bestatter nach Familie H.
erkundigen können und hätte erfahren, dass es sich um eine Psychiaterin handelt
und dass die Familie keinerlei christliche Elemente während der Feier wünscht.
Am Tag der Beisetzung bin ich pünktlich vor Ort, fast alles
sind da, nur der Bruder von Frau H. fehlt noch, er hat eine längere Anfahrt und
hat sich in der Zeit verschätzt. Ich stehe etwas abseits von den Trauergästen
und habe damit die Gelegenheit die Menschen zu beobachten, alle sind sehr
sorgsam und gepflegt gekleidet, eine Dame trägt ein sehr schönes, extravagantes
und buntes Tuch zum dunklen Mantel, insgesamt machen alle einen sehr gediegenen
Eindruck.
Endlich kommt auch der verschollene Bruder von Frau H. mit
seiner Familie an der kleinen Kapelle an und wir gehen gemeinsam zum Urnengrab.
Dort wartet bereits ein Mitarbeiter des Bestattungshauses mit der Urne und
starrt mich an, als habe er eine Erscheinung, klar, denn er hatte ja den
anderen Redner erwartet. Die Familie versammelt sich um das kleine offene
Urnengrab, das Gestell mit der Urne steht direkt daneben und der Mitarbeiter platziert
sich neben das Gestell, damit steht er vor mir, ich müsste also quasi über
seinen Kopf hinweg sprechen, das wäre eigentlich kein Problem, weil er nur
einen Kopf größer als ein Gartenzwerg ist, aber ungünstig ist es trotzdem.
Ich räuspere mich, der Zwerg guckt mich an und ich deute ihm
mit einer Kopfbewegung an, er möge zur Seite gehen, er versteht den Wink und
trollt sich auf den schmalen Weg entlang der Gräber.
Ich beginne zu sprechen und bemerke schon während der Rede
an den Gesichtern der Anwesenden, dass ich richtig liege mit dem was ich sage.
Erleichterung macht sich in mir breit, ich beende meine Rede, verbeuge mich vor
der Urne und trete auf den schmalen Weg, der Zwerg lässt die Urne nun ins Grab,
dann schnappt er sich das Gestell und verschwindet wie immer grußlos.
Die Familie tritt nun an das Grab, jeder wirft Blütenblätter
oder etwas Erde auf die Urne und tritt dann zur Seite.
Zwei kleinere Jungs verlassen die Gruppe und machen sich an
schön geschmückten Urnengräbern zu schaffen, sie verschieben die Blumenschalen
und Laternen auf den Granitplatten und ordnen sie nach ihrem Geschmack neu an,
ich beobachte das eine Weile und endlich kommt ein erwachsener dazu und
untersagt den Kindern dieses kreative Tun.
Langsam entferne ich mich, die Familie steht noch eine Weile
am Grab, ich will nicht stören und gehe deshalb.
Wenige Tage später bedankt sich Frau H. per Email bei mir
für die Gestaltung der Trauerfeier, darüber freue ich mich sehr und sende ihr
per Post das Manuskript der Rede zu.
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