Mein Lieblingsbestatter ruft an und fragt, ob ich Zeit habe.
Der gewünschte Termin ist bei mir noch zu haben, also sage ich zu.
Ich erhalte die Daten der verstorbenen Dame sowie die
Rufnummer der Tochter. Dort melde ich mich und erfahre, dass wir uns zum Gespräch
in der Wohnung des Vaters bzw. des Ehemannes treffen werden.
Ich bin am besagten Tag pünktlich zur Stelle, ich suche die
Klingelschilder des Mietshauses ab und entdecke schliesslich den Namen Petersen
und schelle an. Wenig später ertönt der Drücker und ich kann die Tür öffnen,
Familie Petersen wohnt in der ersten Etage, in der Tür erwartet mich bereits
der Witwer und bittet mich herein.
Die Wohnung ist freundlich eingerichtet, man sieht deutlich
die Ordnung einer Frau, es steht viel Nippes herum, typisch friesische
Dekoration und die übliche Schrankwand mit Vitrine, Barfach und Fernseher.
Herr Petersen bietet mir ein Glas Wasser an und gemeinsam
warten wir nun auf die Tochter, welche sich um wenige Minuten verspätet hat.
Schliesslich erscheint sie in Begleitung ihres erwachsenen Sohnes und nachdem
wir alle wieder am Tisch sitzen, klappe ich meine Mappe auf, reiche meine
Rednerkarte herüber und frage wie immer, was den gewünscht werde.
Die Tochter wirkt etwas unsicher und sagt schliesslich:“
Unsere Mutter war ja eine einfache Frau, sie hatte wenig Wünsche, sie hat aber
immer was für andere getan.“
Schon während dieser wenigen Worte der Tochter fällt mir
auf, dass sie eine knarzige Stimme hat, es klingt, als habe sie einen Frosch im
Hals. Auch im weiteren Verlauf des Gespräches fällt mir diese Stimme auf,
mittlerweile verspüre ich den starken Drang mich räuspern zu müssen, obwohl mit
meiner Stimme alles in Ordnung ist.
Die Tochter wird nun etwas gesprächiger, sie klingt wie ein
heiserer Papagei, ich habe echte Mühe ihr zuzuhören, diese Stimme ist mir
unangenehm.
Sie erzählt, dass ihre Mutter immer stark engagiert war beim
Roten Kreuz und der Tafel für Bedürftige. Unermüdlich habe sie auch für die
Kleiderkammer ehrenamtlich gearbeitet, jedes Sommerfest habe sie mitgestaltet,
habe Kuchen gebacken und Fischbrötchen verkauft.
Nun bringt sich auch der Ehemann in das Gespräch ein, er ist
leicht dement, kann aber dem Gespräch noch halbwegs folgen. Er berichtet, dass
er der zweite Ehemann seiner Frau war und seine Hilde damals mit ihren drei
Mädchen geheiratet habe, nachdem der erste Ehemann über Bord eines Fischkutters
gegangen sei und man ihn nie wieder gesehen habe.
Er selber habe keine Kinder und sei nun froh, drei Töchter
und einige Enkel zu haben.
Ich stelle noch einige Fragen und erhalte bereitwillig
Auskunft, auch der Enkel spricht nur nett über seine Oma.
Als ich genügend Informationen zusammen habe, frage ich nach
Musikwünschen und der Enkel erklärt mir, dass Oma immer sehr gerne Roger
Whittaker gehört habe und man habe drei Stücke von ihm ausgewählt, ganz
besonders wichtig sei dabei der Song „Abschied ist ein scharfes Schwert“.
Ich notiere mir die gewünschten Stücke und vereinbare mit
dem Enkel, dass er am Tag vor der Trauerfeier die CD zusammen mit dem Bild
seiner Oma im Bestattungshaus Dünkel vorbeibringt.
Ich bin soweit zufrieden und verabschiede mich zügig, die Papageienstimme
der Tochter ist mir auf die Nerven gegangen.
Am Tag der Beisetzung treffe ich im Büro des Bestatters
Dünkel ein, wir tauschen wie immer meine Rechnung gegen Bargeld und tauschen
ein wenig privates aus.
Als es für mich Zeit wird, in die Trauerhalle herüber zu
gehen, bitte ich den Mitarbeiter um die CD, welche ja eigentlich vorliegen
sollte.
„Nee“, sagt der Bestatter, „welche CD“? „Ja wie, welche CD“?
frage ich. „Die hat doch der Enkel gestern mitgebracht“. „Ach so, meint Herr Dünkel,
„dann ist die schon drüben in der Halle“. „Ja denn“, sage ich „denn ist ja gut“
und nehme meine Mappe vom Tisch und gehe den kurzen Weg herüber zur Halle. Dort
wartet bereits ein weiterer Mitarbeiter auf mich, ich begrüße ihn und will mit
ihm absprechen an welcher Stelle er die CD abspielen soll. Hinnerk Lüders guckt
als ob ein Schaf übern Deich rollt und fragt entgeistert „Wieso CD“? „Die
Organistin ist doch da“ Nun gucke ich belämmert und versichere ihm, dass die
Angehörigen keine Orgel bestellt haben und der Enkel die CD mitgebracht habe.
Ich ahne böses, als wir gemeinsam den Stapel der vorhandenen
Cd`s durchsehen, alles ist da, Herman Prey, Adoro, Andrea Berg, aber kein Roger
Whittaker. Ich blicke auf die Uhr, es ist 10:40 Uhr und um 11:00 Uhr soll die
Trauerfeier beginnen, das kann ja heiter werden, denn einige Gäste sind bereits
eingetroffen und stehen in der großen Vordiele der Halle, während Hinnerk und
mir der Schweiß ausbricht.
Just in diesem Moment betritt der Enkel die Halle und ich
winke ihn unauffällig herbei. Auf Nachfrage erklärt er dann, er habe die CD im
Schrank der Oma nicht gefunden und deshalb nicht mitgebracht, er habe aber „Abschied
ist ein scharfes Schwert“ als Klingelton auf dem Handy, ob das auch ginge?
Innerlich koche ich vor Wut, es war schliesslich vereinbart,
dass er die Musik mitbringt und nun das. Währenddessen nehmen die ersten Gäste
Platz und betrachten den geschmückten Sarg, ich flitze zurück ins Büro und Herr
Dünkel fragt, ob der weiße Hai persönlich hinter mir her sei. „Nein“ rufe ich
atemlos, „nein, aber wir haben keine Musik, der Enkel hat die CD nicht mit, was
nun?“
Dünkel holt tief Luft und grinst, er dreht sich um und
fischt aus einem Stapel eine Doppel-CD, „Best of Roger Whittaker“. Ich hätte es
ahnen müssen, Dünkel ist Schlagerfan durch und durch, Schade nur, dass ihm das
jetzt erst einfällt.
Ich reiße ihm die CD aus der Hand, mittlerweile ist es 10:50
Uhr und ich will zurück in die Halle hasten, als der kleine Mitarbeiter leise
fragt:“ Ist in der Hülle auch was drin“?
Ich bleibe auf der Stelle stehen und öffne die Hülle,
tatsächlich, es fehlt eine CD, ausgerechnet die auf welche es ankommt.
„Sch…“ entfährt es mir, „was nun?“
Dünkel wird nervös, öffnet das Laufwerk am PC, leider ist es
leer, nun gibt es viele Möglichkeiten, aber wir haben keine Zeit um in seiner
Wohnung oder seinem Auto oder im Leichenwagen nach besagter CD zu suchen.
Also flitze ich mit leeren Händen zurück in die Halle, dort
wartet bereits die Tochter mit dem Enkel auf mich. Ich erkläre den beiden, dass
wir nun keine Musik haben, als sich ein Trauergast ins Gespräch einmischt:“
Kein Problem, ich fahre schnell zu Sky, die haben eine Musikabteilung, da kaufe
ich die CD“
Ich traue meinen Ohren nicht und auch Hinnerk Lüders ist
mittlerweile am Rande seiner Nerven, denn es ist 10:57 Uhr und wir müssen
beginnen, denn um 12:00 Uhr steht die nächste Trauerfeier an und er muss noch
umdekorieren wenn wir raus sind.
Die Tochter zückt ihr Handy, pfeift den mittlerweile
verschwundenen Trauergast zurück und entscheidet:“ Dann eben ohne Musik“. Ich erkläre
ihr, dass die Organistin noch da sei, da sie vorher schon eine Feier begleitet
habe und wir sicherlich auf die Orgel hoffen dürfen, die Tochter nickt und
meint:“ Ja denn, sagen sie ihr, sie soll was von Roger Whittaker spielen“ Dann
dreht sie sich um und geht in die Halle und nimmt Platz. Der Trauergast und der
Enkel folgen ihr.
Ich schnappe mir die Organistin, welche mir schmunzelnd
erklärt, dass sie Schlager nicht im Programm habe, aber etwas passendes orgeln
würde, ich zücke meinen Kugelschreiber und schreibe zwei Sätze um in denen ich
Bezug genommen habe auf den Text von „Abschied ist ein scharfes Schwert“, mehr
kann ich nicht mehr tun, wir müssen anfangen sonst kommt Hinnerk mit der
nächsten Trauerfeier in Verzug.
Die Organistin spielt also das „Largo von Händel“, ich
beginne mit der Rede, die Tochter sitzt regungslos in der ersten Reihe, der
Witwer guckt traurig und der Enkel weint.
Die Orgel erklingt ein weiteres Mal, ich setzte meine Rede
fort und schliesslich sind wir am Ende der Feier und die Organistin spielt ein
drittes Stück, Hinnerk öffnet die Türen der Halle und die Gäste erheben sich,
verabschieden sich am Sarg und gehen hinaus, wir sind gut in der Zeit geblieben
und draußen stehen schon die ersten Trauergäste der nächsten Feier.
Ich verabschiede mich von Hinnerk und fahre zurück in unser
kleines Dörfchen.
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