Freitag, 27. September 2013

Hitlisten des Todes

Wenn ich zu einer Familie gerufen werde, dann planen wir gemeinsam die Trauerfeier. Manchmal wird es eine Trauerfeier zur Einäscherung, manchmal eine Erdbestattung, manchmal eine Feier mit anschliessender Urnenbeisetzung. Seltener eine Feier mit Urne und anonymer Beisetzung zu einem späteren Zeitpunkt.

Alles aber haben diese Trauerfeiern gemeinsam: Schön sollen sie sein, die Persönlichkeit des verstorbenen Menschen spiegeln und ein guter Abschied für die Angehörigen soll es sein.

Dazu gehört nicht nur ein schöner Sarg oder eine schöne Urne, dazu gehören auch Blumen, Kerzen und: Musik!

Die Auswahl der Musik ist den Angehörigen überlassen, einige Familien wissen schon sehr genau was sie hören wollen wenn ich zu ihnen komme, andere sind völlig ratlos.

Den ratlosen biete ich meine Hilfe in der Form an, dass ich sie frage, was der oder die Verstorbene gerne gehört hat, oftmals kommen dann die abenteuerlichsten Interpreten hervor.

Findet die Trauerfeier in der Halle des Bestatters statt, sind wir völlig frei, können die Orgel hören oder Musik von der CD oder beides oder auch musikalische Darbietungen vor Ort.

Die völlig ratlosen lassen sich gerne beraten, auf meinem Smartphone habe ich allerlei Musik "zum reinhören" parat, sodass es den Angehörigen etwas leichter fällt sich zu entscheiden.

Oftmals wird es dann die "Morgenstimmung", das "Largo" oder das "Air", manchmal auch "Pachelbel Canon D Major", eines meiner persönlichen Lieblingsstücke.
Gerne gemommen wird auch "Von guten Mächten", auch dieses Stück empfehle ich reinen Herzens.

Einige Male haben etwa ältere Witwen sich zur Trauerfeier des Gatten ein Stück von Semino Rossi gewünscht: "Aber dich gibts nur einmal für mich"
Anfangs habe ich innerlich geschmunzelt, aber als ich während der Trauerfeiern bemerkte, wie wichtig es für die Frauen ist grade dieses Stück nocheinmal zu hören, zu dem man viele Jahre gemeinsam getanzt hat, bin ich eines besseren belehrt.

Manchmal ist es auch so, dass ein Tenor in der Halle singt, oder ein Familienmitglied mit Gesangsausbildung, auch das war immer sehr schön.

Besonders beliebt ist: Unheilig, "Geboren um zu leben", dieses Stück habe ich schon mehrfach auf einer Feier erlebt, sowohl bei jungen als auch älteren Verstorbenen. Auch "November Rain" in der acht minütigen Fassung war schon dabei.

Gefragt sind auch Stücke aus Musicals welche man gemeinsam besucht hat oder manchmal auch Schlager von Andrea Berg.

Auch ein sozialkritischer Song von BAP war schon dabei, dieses hatte der verstorbene Mann sich gewünscht und diesen Wunsch auch schriftlich hinterlegt, was er sich dabei dachte, blieb leider sein Geheimnis.

Manchmal sind auch die Organisten überfordert, seit ich einmal erleben musste, dass eine Organistin offenbar nur drei Stücke spielen konnte, frage ich vorher an, ob die gewünschten Stücke vom Organisten angeboten werden können!

Heikel wird es auch, wenn die Musik von der CD kommen soll, aber nicht alle gewünschten Stücke sich auf einer CD befinden.
Hier ist eine genaue Absprache mit dem Mitarbeiter des Bestatters nötig, aber auch die ist keine Garantie dafür, dass alles reibungslos klappt.
Manchmal bringen die Angehörigen ihre CDs mit und diese verschwinden dann nach der Feier im Orbit, sodass die Angehörigen immer wieder bei mir anrufen und die besagte CD zurückfordern, solange bis mir (innerlich) der Hut brennt und ich sie auf das Bestattungshaus verweise.
So geschehen nach einer Trauerfeier auf der die Witwe die Titelmelodie einer amerikanischen Serie hören wollte, von der ich bis dato nie gehört habe...
Es handelte sich dabei um eine "gebrannte" CD, ein freundlicher Nachbar hatte ihr die Musik aus dem Internet gesaugt, es wäre also jederzeit möglich gewesen diese CD nocheinmal anzufertigen. Aber nein, immer wieder rief sie mich an und bestand darauf, dass ich ihr die CD besorgen müsste, ich hätte sie schliesslich dem Mitarbeiter von "Bestattungen Stiefelknecht" gegeben.
Irgendwann habe ich ihr gesagt, sie möge bei "Stiefelknecht" vorstellig werden, ich könne für sie nichts mehr tun!
Auf einer anderen Trauerfeier spielte ein Musiker in der Halle auf der Querflöte und am offenen Grab auf der Gitarre, diese Feier habe ich in besonders schöner Erinnerung, ebenso eine Feier mit Chello oder Geige am Grab.

Kurzum,  fast jede Form von Musik ist mittlerweile auf einer Beerdigung "salonfähig", sofern sie die guten Sitten nicht verletzt.

Ich persönlich befürworte jede persönliche Untermalung auf einer Trauerfeier, sei sie für aussenstehende auch fremdartig.
Die Trauerfeier ist der Abschluß eines Lebens, sie sollte so sein, wie der verstorbene Mensch war, manchmal laut, manchmal leise oder schrill...







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