Ich wuchte meine Einkaufstaschen in den Kofferraum, schließe
die Heckklappe und klemme mich hinter das Lenkrad. In diesem Moment bimmelt
mein Handy, eine Dame ruft mich an und fragt, ob sie bei mir richtig sei, sie
wolle einen Redner für die Trauerfeier ihrer Mutter buchen.
Ich bestätige ihr dass sie bei mir richtig ist und sie
erzählt, dass ihre Mutter im Sterben liege, sie sei zuhause und solle dann in
einem Friedwald beigesetzt werden, dieser sei aber 60 km entfernt, ob ich
bereit sei den Auftrag anzunehmen.
Selbstverständlich bin ich bereit, den Auftrag anzunehmen,
Bestattungen in Friedwäldern übernehme ich sehr gerne weil die Atmosphäre immer
sehr schön ist.
Wir verabreden uns für ein Gespräch und ich lege auf und
düse mit den Lebensmitteln im Heck durch die Affenhitze nach Hause.
Zwei Tage später treffe ich am frühen Abend bei Frau K. ein,
sie lebt in einer kühlen Altbauwohnung mit Garten, zwei Katzen begrüßen mich
und wir setzen uns an den großen Küchentisch.
Frau K. berichtet mir vom Verlauf der Erkrankung ihrer
Mutter, danach gehen wir hinüber in das Schlafzimmer der Mutter, sie liegt im
Bett und hält einige Photos in der Hand, der Raum duftet angenehm nach einem
guten Öl und die Katzen streunen durch das Zimmer.
Frau H. hat Krebs und wird nun zuhause palliativ versorgt,
sie hat nach der Chemo wieder Haare, ganz kurz und grau.
Ich setze mich auf den Korbsessel neben dem Bett und stelle
mich vor, Frau H. blickt zu mir herüber, sie ist durch das Morphium etwas
schläfrig und nach wenigen Minuten verabschiede ich mich wieder.
In der Küche bespreche ich noch einiges mit der Tochter, sie
hat Musikwünsche und für die Trauerkarte einen irischen Reisesegen ausgesucht,
welchen in bitte in die Rede einfügen soll, allerdings in weiblicher Form, denn
Gott sei nach ihrer Auffassung weiblich.
Feministische Theologie sei außerdem ein weites Feld…
Wir besprechen also die Musik und den Ablauf der Feier,
allerdings ist Frau K. sich nicht sicher, wie sie es denn nun genau haben will
und ich schlage vor, dass wir und in einigen Tagen noch einmal treffen, sie
stimmt zu und wir verabreden einen Termin.
Wenige Tage später ruft sie mich an und berichtet, dass ihre
Mutter verstorben sei, ganz friedlich und entspannt mitten in der Nacht zum
Montag. Wie mit dem Bestatter vereinbart habe sie ihre Mutter noch zwei Tage
bei sich behalten, habe sie gewaschen und eingekleidet und Zwiesprache mit ihr
gehalten.
Mittlerweile habe der Bestatter die Mutter abgeholt und zum
Krematorium gebracht, die Urne wolle sie sich dann abholen und zuhause
aufbewahren bis zum Tag der Beisetzung.
Ich schmunzle innerlich über das Vorgehen meines
Lieblingsbestatters, sage aber nichts dazu, wie verabredet erscheine ich zum
zweiten Gespräch und wir legen nun endgültig fest, in welcher Reihenfolge die
Trauerfeier nun gestaltet werden soll.
Am Tag der Beisetzung scheint die Sonne, aber diese
furchtbare Hitze ist abgeklungen und ich fahre nach D. zum Friedwald.
Ich düse über die Autobahn und es wird zusehends ländlicher,
als ich von der Autobahn abfahre bin ich im platten Land, um mich herum Felder
und Wiesen und Kühe und Pferde.
Das Navi prophezeit noch 13 Kilometer und ich fahre
gemütlich übers Land. Ich folge der Stimme des Navis, bis diese plötzlich
schweigt. Der Bildschirm zeigt einen Pfeil irgendwo im nirgendwo und ich frage
mich, was das soll. Endlich erblicke ich ein Hinweisschild zum Friedwald,
leider danach kein weiteres mehr und ich fahre über die Landstraße ohne Plan
und Ziel.
Endlich kommt ein Fahrzeug aus einem Waldweg, ich hupe und
frage den Fahrer nach dem Weg, er kennt sich aus und schickt mich in die andere
Richtung, dann rechts und schon bin ich da.
Auf dem Parkplatz des Friedwaldes sind bereits einige
Trauergäste eingetroffen, ich bleibe im Wagen und warte bis Frau K. eintrifft,
sie erscheint wenig später und hat die Urne ihrer Mutter in einer großen Tasche
bei sich.
In den Tagen zwischen Kremierung und Beisetzung hat die Urne von Frau H. auf dem Küchentisch gestanden und "am Familienleben teilgenommen". Es sei ganz natürlich gewesen erklärt mir die Tochter, so selbstverständlich und richtig.
Ich nicke höflich und schweige dazu, meine Meinung behalte ich lieber für mich...
Gemeinsam mit dem Förster gehen wir nun zu der Lichtung auf
der ein großer Stein und Sitzbänke stehen, wir dekorieren den Stein mit dem
Lieblingsschal der verstorbenen Frau und stellen ein Photo und Blumen dort
zurecht.
Die Gäste nehmen Platz auf den rustikalen Holzbänken, die
Sonne glitzert durch die Bäume, die Vögel singen und es herrscht eine fast
heitere Stimmung.
Der Wald strahlt eine herrliche Ruhe aus, die Natur duftet
gut und in einiger Entfernung stehen Kühe auf einer Weide.
Als alle Gäste Platz genommen haben, erklingt Musik aus dem
tragbaren CD Player, danach beginne ich zu sprechen.
Wir hören die Vögel zwitschern und die Kühe muhen und alles
um uns herum ist sonnig.
Am Ende meiner Rede erklingt Musik von den Beatles, danach
gehen wir gemeinsam mit dem Förster zu dem Baum unter dem Frau H. beigesetzt
wird.
Am Baum angekommen lese ich den irischen Reisesegen in
weiblicher Form, dann versenkt der Förster die Urne.
Nacheinander treten die Gäste vor und legen noch Blumen ab,
verneigen sich und halten noch stille Zwiesprache.
Der Förster und ich gehen zum Ausgang unsere Aufgabe ist
erledigt, die Zeit am offenen Grab gehört der Trauergemeinde alleine.
Ich verabschiede mich und steige in den Wagen und sage der
Dame im Navi dass ich nach Hause möchte, sie ist immer noch völlig
orientierungslos, erst auf der Landstraße erwacht sie aus dem
Dornröschenschlaf.
Es geht zurück in Richtung Autobahn, auf der Landstraße gilt
Tempo 70 und Überholverbot. Ich fahre also ordnungsgemäß über die Landstraße
und erfreue mich an der umliegenden Natur, als neben mir ein lautes Hupen
erklingt. Ich werde schnittig überholt, trotz Tempolimit und Überholverbot, am
Kennzeichen erkenne ich dass es sich um
einen „Eingeborenen“ handelt.
Er schert vor mir wieder ein und zieht zügig von dannen,
vermutlich dachte er es gilt Tempo 70 pro Reifen.
Ich halte mich weiterhin an Tempo 70 und gelange zur Autobahnauffahrt,
ich düse nun zurück in die Stadt und nehme mir fest vor aufs Land zu ziehen,
wenn die Kinder aus dem Haus sind.
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