Mittwoch, 19. Juni 2013

Immer erreichbar?!



Ich erhalte einen Auftrag aus B., eine alte Dame ist verstorben, sie hat keine Angehörigen, der Ehemann ist bereits vor einigen Jahren verstorben, Kinder gibt es nicht.
Ich spreche mit der Nachbarin, welche die alte Dame lange gekannt hat und welche auch als gesetzliche Betreuerin eingesetzt ist.
Es soll nur eine kurze Feier werden, erfahre ich, ein Urnenbegräbnis, man erwarte weniger als 10 Gäste, schlicht soll es werden, aber dennoch sollen einige Worte des Abschieds gefunden werden.
Das Trauergespräch findet am Telefon statt, ich empfinde das als Unsitte und mache das nur im Notfall.
Die Nachbarin berichtet mir aus dem Leben der Verstorbenen, Künstlerin sei sie gewesen, genau wie ihr Mann.
Die beiden haben gemeinsam gemalt und hatten einen Freundeskreis aus Künstlern und Musikern um sich.
Nach dem Tod des Ehemannes sei die alte Dame etwas hinfällig geworden und bedurfte der täglichen Begleitung und Betreuung.
Die Nachbarin schildert mir ihr Verhältnis zu der Verstorbenen als warm und herzlich und sie sei für ihre Kinder wie eine Ersatzoma gewesen, ob ich das besonders erwähnen könne?
Mit der Kirche habe es die Künstlerin nie so gehabt, sie sei zwar katholisch, aber eine Trauerfeier mit einem Geistlichen käme nicht in Frage.
Ich schreibe fleißig mit und wir beenden das Telefongespräch.
Wenige Tage später treffe ich pünktlich zur Trauerfeier auf dem großen Friedhof in B. ein, in der Trauerhalle ist der Bestatter bereits dabei mit seinen Helfern die Urne zu platzieren und die Kränze zu richten. Ich wundere mich über die vielen Blumen, es waren ja nur wenige Gäste angekündigt, aber naja…
Ich bespreche mit dem Organisten die Musik, wieder einmal ist die Auswahl mir überlassen worden und der nette Organist ist gerne bereit „Von guten Mächten“ zu spielen, ich mag dieses Stück besonders gerne und wenn es sich ergibt, bitte ich den jeweiligen Organisten darum es zu spielen.
Mittlerweile treffen die ersten Trauergäste ein, es sind deutlich mehr als 10 Personen, man verteilt sich auf die Plätze und tuschelt vor sich hin.
Pünktlich um 11:00 Uhr schließt der Bestatter die Türen der Kapelle und der Organist beginnt zu spielen. Ich gehe derweil an das Rednerpult und als die Orgel verstummt, beginne ich zu sprechen.
Nach wenigen Sätzen öffnet sich die Eingangstür der Kapelle und einige Trauergäste rücken nach, sie begrüßen andere, bereits sitzende Gäste vernehmlich und nehmen hörbar Platz.
Ich spreche weiter und in der Mitte der Rede spielt der Organist auf mein Zeichen „Von guten Mächten“. „Oh, Bonhoeffer“ bemerkt eine Dame in der ersten Reihe und macht ein zufriedenes Gesicht.
Der Organist ist durch mit dem Stück, ich spreche weiter, komme nun also zu der Stelle, an der ich besonders das Verhältnis der Nachbarin zu der verstorbenen Künstlerin erwähne, da bimmelt ein Handy.
Genauer gesagt, das Handy der Nachbarin! Es bimmelt laut und mit einer nervigen Melodie, die Frau wühlt in ihrer Handtasche und das Ding bimmelt und bimmelt, ich spreche weiter und endlich hat sie es gefunden. Es bimmelt immer noch und die Frau hebt ab und erklärt dem Anrufer, dass sie sich grade auf der Trauerfeier für Frau A. befinde und sich später melden würde. Offenbar hat der Anrufer wenig Verständnis und sie wiederholt, dass sie grade nicht sprechen könne, danach ist endlich Ruhe.
Ich habe ruhig weitergesprochen, leider ist der Nachbarin der so dringend gewünschte Teil der Rede damit nun entgangen, ich nähere mich dem Ende der Rede und gebe dem Organisten ein Zeichen, er weiß Bescheid und spielt das „Largo“
Die Türen der Kapelle öffnen sich, die Mitarbeiter des Bestatters treten ein, verbeugen sich vor der Urne und tragen diese durch den Mittelgang, ich folge ihnen, hinter mir reihen sich die Trauergäste ein.
Der Bestatter tritt draußen an mich heran und fragt, ob ich den Gottesdienst zu Ehren der Verstorbenen abgekündigt hätte, ich gucke ihn an wie ein Fragezeichen und verneine. Auf diesem Wege erfahre ich, dass die Hinterbliebenen zweiten Grades empört darüber sind, dass kein Priester bestellt wurde und nun gibt es eine Andacht am Nachmittag in der Kirche.
Wir sind auf dem Weg zum Grab, hinter mir unterhält sich die Trauergemeinde angeregt über Ackerbau und Viehzucht, endlich kommen wir an dem Urnengrab an und ich lese noch einen kurzen Text, welchen ich selber auswählen sollte…
Die Urne wird ins Grab gelassen und der Bestatter tritt vor und verkündet, wann und wo die Andacht stattfinden soll.
Wir treten zurück und überlassen der Gästen das Feld, jeder mag nun am Grab verweilen oder was auch immer, unsere Aufgabe ist erfüllt, wir gehen langsam in Richtung Ausgang.
Der Bestatter berichtet noch, dass es größere Auseinandersetzungen gegeben hat um die Gestaltung der Feier, letztlich habe aber die Nachbarin als Betreuerin der alten Dame alles nach ihrem Wunsch entschieden und bestellt.
Insgesamt sind wir uns einig, dass das Benehmen dieser Trauergesellschaft eher grenzwertig war, aber wir müssen es nehmen, wie es kommt.



1 Kommentar:

  1. Traurig, das Benehmen der Nachbarin. Solch eine Trauerfeier wünscht sich wohl niemand!

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