„Können Sie morgen früh“? Ich blicke verdutzt in den Hörer
und frage:“ Was kann ich morgen früh“?
Die Mitarbeiterin eines großen Bestatters hat offenbar Not
und fragt nochmal:“ Können Sie morgen früh, der Pfarrer ist krank und die Witwe
ist fix und fertig“
Auf näheres Nachfragen erfahre ich, dass der Pfarrer die
Trauerfeier schlichtweg vergessen hat und nun nicht zur Verfügung steht. Da die
Trauerfeier aber morgen früh ansteht, ist nun Handlungsbedarf gegeben.
Ich habe zufällig am nächsten Vormittag Zeit und sage zu.
Also lasse ich mir die Adresse der Witwe geben und erfahre, dass sie zurzeit in
einem Hotel lebt, weil ihr Mann an seinem Geburtstag in der gemeinsamen Wohnung
verstarb.
Ich fahre also am Abend nach D. und stelle fest, dass es
sich bei dem Hotel um einen Gasthof mit Zimmervermietung handelt. Im Schankraum
erwartet mich die Witwe und fragt sogleich was ich trinken möchte, ich nehme
einen Pfefferminztee und frage, wo wir uns unterhalten können. „Ja hier“ sagt
die rüstige Dame und deutet auf den freien Stuhl an ihrem Tisch.
Ich nehme Platz und füge mich meinem Schicksal, im
Schankraum riecht es nach Bier und verbrannten Schnitzeln, am Tresen stehen
Männer und unterhalten sich lautstark, es dröhnt Schlagermusik aus den Boxen,
aber bitte, wenn sie mir hier über ihren Mann erzählen will, dann soll es so
sein.
Sie berichtet mir also aus dem Leben ihres Mannes, aus ihrer
Ehe und verschiedenen Streitigkeiten innerhalb der Familie. Zwischendurch fragt
sie, ob ich etwas essen möchte, ich bleibe aber beim Tee und schreibe die
wichtigsten Infos mit.
Schließlich verabschieden wir uns und ich fahre durch die
bitterkalte Nacht zurück nach H. Zuhause angekommen setze ich mir eine Kanne
Tee auf und formuliere die Rede.
Einen derartigen Zeitdruck hatte ich noch nie, normalerweise
liegen einige Tage zwischen Trauergespräch und Trauerfeier, aber trotzdem
gelingt es mir, eine schöne Rede zu formulieren, ich drucke sie dann aus, hefte
sie in meine Mappe und gehe zu Bett.
Am nächsten Morgen fahre ich wieder nach D. Es ist immer
noch bitterkalt, ich friere trotz des dicken Mantels und begebe mich schnell in
die Trauerhalle. Dort empfängt mich bereits ein Mitarbeiter des
Bestattungshauses.
Die Trauerhalle schockiert mich, sie ist ungepflegt und hat
den Charme einer Bahnhofshalle, kalt und uralt.
Der Fußboden ist gammelig, die Stühle schäbig und insgesamt
möchte man nicht vermuten, dass es hier gleich eine Trauerfeier geben wird.
Der Mitarbeiter deutet auf einen Vorhang, zieht diesen vor
und ich kann kaum glauben, was ich sehe: Eine steinalte Orgel inmitten von
Regalen, welche vollgestopft sind allerlei Kram.
Klopapier, Putzmittel, Besen und Überurnen stehen in den
Regalen und das offenbar nicht erst seit gestern.
Ich stehe also in diesem Verschlag und warte auf den Organisten,
dieser erscheint schließlich und wir stimmen die Musik ab, die Witwe hatte sich
das „Ave Maria“ gewünscht, der Organist hat die Noten dabei, zu Beginn und Ende
spielt er nach seiner Wahl.
Die Orgel hat offenbar auch unter der Kälte gelitten, sie
ist hörbar verstimmt, aber der Organist trägt es mit Fassung und spielt eine
flotte Note.
Die ersten Trauergäste treffen ein und auch die Witwe nimmt
Platz, die Urne steht auf einem klapperigen Holztisch, welcher mit einer
schmuddeligen Decke abgedeckt wurde.
Der Kranz mit den roten Rosen wirkt irgendwie grotesk.
Der Organist spielt, ich rede und die Witwe weint,
schließlich sind wir am Ende der Feier und geleiten nun die Urne zum Grab.
Der Mitarbeiter geht mit der Urne in der Hand vor und ich
gehe hinterher, die Gäste folgen uns. Am Grab lese ich noch einen kurzen Text
und dann versinkt die Urne durch die Hand des Mitarbeiters ins Erdreich.
Ich trete zurück und die Witwe nimmt Abschied, ebenso die
Trauergäste.
Frierend gehe ich zurück zu meinem Auto, selten war ich so
erschüttert über eine Trauerfeier, der schlechte Zustand der Trauerhalle, die
verstimmte Orgel und der ungepflegte Mitarbeiter des Discount-Bestatters haben
ein schlechtes Bild in mir hinterlassen.
Kein Mensch hat es verdient in so einer Umgebung beigesetzt
zu werden!
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