Ein Bestattungshaus aus E. ruft an und fragt, ob ich bereit
wäre für eine Urnenbeisetzung in den Friedwald zu kommen, ich schaue in meinen
Kalender und sage zu, es sind noch fast 4 Wochen bis dahin.
Termine für Urnenbeisetzungen werden oftmals etwas früher
festgelegt, mir ist es genehm, wir verabreden einen Betrag und ich erhalte die
Rufnummer der Tochter der verstorbenen Dame.
Ich melde mich rechtzeitig bei der Tochter und auch hier
wird wieder nur ein Gespräch am Telefon gewünscht. Ich mag das eigentlich
nicht, aber auch auf Nachfragen bleibt es dabei, die Tochter will kein
persönliches Treffen.
Am Telefon berichtet sie mir also, dass sie mit ihrer Mutter
in den letzten zwölf Monaten keinen Kontakt mehr hatte, vorausgegangen wären 49
Jahre Streit, Ärger, gegenseitiges Missverstehen und Unverständnis.
Erst einen Tag vor dem Tod der Mutter habe sie überhaupt
davon erfahren, dass diese krank sei und dass es ihr sehr schlecht gehe.
Sie habe ihre Mutter dann am Sterbebett noch besucht, aber
man sei einander fremd gewesen, sie habe keine Trauer empfunden und sie habe
nicht das Gefühl gehabt, dass letztlich noch Friede und Versöhnung stattfinden
könnte.
Weiterhin erfahre ich, dass die Mutter bereits vor vier
Monaten verstorben sei und die Urne der Mutter nun endlich bestattet werden
könne, es habe größere Schwierigkeiten gegeben.
Die Schwester ihrer Mutter habe alles an sich gerissen, sei
zu einem Bestatter ihrer Wahl gegangen und habe alles nach ihren Wünschen
bestellt, ohne sich mit ihr (der Tochter) abzustimmen.
Immer wieder habe es Auseinandersetzungen gegeben über die
Wahl des Friedhofes und die Wahl des Grabes. Schließlich so sagte mir die
Tochter, habe sie kurzerhand den Bestatter gewechselt. Die Urne der Mutter sei
also abgeholt worden und stehe nun bei dem Bestatter welchen sie für gut und
richtig hielte.
Ihre Tante sei daraufhin ausgeflippt und habe den neuen
Bestatter aufgesucht und bedroht. Das erste Bestattungshaus habe ihr gesagt, wo
die Urne der Mutter nun zu finden wäre, und sie habe dort nun mit der Polizei,
mit dem Anwalt und dem Ordnungsamt gedroht um zu erfahren, wo denn die
Bestattung geplant sei.
Der neue Bestatter zeigte sich unbeeindruckt und der Tante
die Tür.
So weit, so gut. Ich war also nun im Bilde über die Umstände
des Todes der alten Dame, aber noch hatte ich keinerlei Information über die Persönlichkeit
der Frau.
Auch Nachfrage erfahre ich, dass es eine katholische
Trauerfeier zur Einäscherung gegeben habe, diese sei furchtbar gewesen, der
Priester habe nur Unsinn erzählt, man habe ständig aufstehen und beten müssen, sie
habe diese Feier in unguter Erinnerung.
Die Mutter solle nun einen Platz im Friedwald bekommen,
weder die furchtbare Tante noch einige andere sollte von dem Termin erfahren,
man wäre zur Beisetzung nur zu fünft.
Ich frage noch einmal näher nach und die Tochter berichtet
mir, ihre Mutter sein intrigant gewesen, ungerecht, hartherzig und habe gerne
Menschen gegeneinander ausgespielt.
Sie wolle nichts beschönigen, aber sie wolle nun Ruhe finden,
die Mutter endlich beisetzen und auch nicht weiter mit ihrer Tante streiten,
obwohl diese sich mit einem Trick einen großen Teil des Erbes an Land gezogen
hätte. Sie wolle einfach Ruhe und mit all dem endlich abschließen.
Ich frage noch ob es andere Menschen gibt, die evtl. mit mir
über die Verstorbene reden möchten, sie verneint und wir verabreden einen
Termin für ein weiteres Telefongespräch.
Aber auch in diesem zweiten Gespräch ergibt sich nichts neues,
niemand möchte mit mir über die Verstorbene sprechen, die Tochter berichtet mir
noch einige unschöne Begebenheiten welche sie mit ihrer Mutter erlebt hat, dann
verabschieden wir uns bis zum Tag der Beisetzung.
Meine Aufgabe ist es nun eine Rede zu formulieren, kurz soll
diese sein, kein verlogener Nachruf, vielmehr ein Schlusspunkt für alle
Beteiligten.
Ich habe den Eindruck, als ob die Tochter von mir eine Art „Freisprechung“
erwartet, quasi die Genehmigung für ein neues, freies Leben ohne ihre dominante
Mutter.
Es gelingt mir eine Rede zu formulieren, tatsächlich geht es
darin nicht um die negativen Eigenschaften der verstorbenen Dame sondern um die
Gefühle der Tochter und des Enkels. Ich spreche von einem guten Abschluss
dieser Familiengeschichte und über den Neubeginn für Tochter und Enkel.
Am Tag der Beisetzung fahre ich zeitig los, immerhin ist der
Friedwald eine Autostunde entfernt.
Als ich auf den Parkplatz fahre begrüßt mich bereits der
Bestatter, wir sprechen kurz über die sehr besondere Situation dieses
Auftrages, tauschen meine Rechnung gegen Bargeld und warten auf die Tochter.
Diese kommt ebenfalls auf dem Parkplatz an, sie hat ihren
Sohn dabei, die Freundin ihrer Mutter und eine weitere Dame, ebenso ihre zwei
großen Hunde.
Der Mitarbeiter des Friedwaldes erwartet uns schon,
eigentlich könnten wir beginnen, es fehlt aber noch eine Dame. Die Tochter
erfährt per Handy dass diese sich verfahren habe und steigt wieder in ihren
Wagen um die Bekannte mittels Navi abzuholen.
Ich bleibe mit dem Bestatter, dem Mitarbeiter des
Friedwaldes und den anderen Gästen auf dem Parkplatz stehen, der Mitarbeiter
erklärt die Geschichte des Friedwaldes und berichtet uns, dass diese
Bestattungsform immer beliebter wird. Ganze Familien liegen bereits unter
einzelnen größeren Bäumen, eine Grabpflege sei nicht nötig, die Natur regelt
alles von alleine. Die Urne aus Maisstärke vergeht im Erdboden, die Asche des
verstorbenen Menschen geht in den Kreislauf der Natur ein.
Wir hören Motorengeräusche, zwei Fahrzeuge kommen über den
schlammigen Feldweg auf den Parkplatz, die Tochter hat die verschollene Dame
gefunden, nun kann es losgehen.
Der Mitarbeiter geht voran, der Enkel trägt die Urne und ich
folge den beiden. Hinter mir gehen die Tochter und die anderen Damen. Es fängt
an zu nieseln, ich kann mir den Gedanken nicht verkneifen, dass die dunklen
Wolken am Himmel und der einsetzende Regen durchaus zur Persönlichkeit der
verstorbenen Frau passen…
Wir kommen zu dem Baum unter dem die Beisetzung stattfinden
soll, ein kleines Loch ist bereits ausgehoben, daneben steht ein Holztrog mit
Erde und Schaufel.
Der Mitarbeiter legt das kleine gelbe Rosengesteck ab, der
Enkel tritt vor und versenkt zügig die Urne.
Ich halte die kurze Rede, danach ist Ruhe, man hört nur das
Zwitschern der Vögel. Die Tochter tritt vor und bedankt sich bei mir, die Freundin
der Mutter hat Tränen in den Augen und bedankt sich ebenfalls, schön sei es
gewesen, nun könne endlich Frieden mit allem gemacht werden, die Zeit der Anspannung
sei vorbei, endlich sei ein echter Abschied gefunden worden.
Es freut mich ehrlich, dass es der kleinen Trauergemeinde
gefallen hat, es war eine nicht ganz alltägliche Situation auch für mich und
ich bin froh, es hinter mir zu haben.
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