Mein
Lieblingsbestatter hat einen Auftrag für mich, eine Trauerfeier an der Urne,
die Beisetzung wird später anonym erfolgen.
Ich
vereinbare einen Termin mit der Familie, das Gespräch wird im Hause der
Schwester der verstorbenen Frau stattfinden, der Ehemann und der Sohn kommen
hinzu.
Am besagten
Abend fahre ich in die Kleine Anliegerstraße, alles ist zugeparkt, den letzten
Parkplatz schnappt mir ein Mann weg, welcher aussteigt und in das Haus Nummer
10 geht, dorthin muss ich auch.
Ich drehe
eine erneute Runde und finde ganz hinten im Wendehammer einen Parkplatz.
Es ist ein
warmer Abend und ich mache mich auf den Weg zum Haus Nr.10, ich schelle und die
Schwester der verstorbenen Frau öffnet mir.
Ich werde
hereingebeten, der Schwager ist auch anwesend und der Herr welcher mir den
letzten Parkplatz klaute, stellt sich als der Witwer heraus.
Wir setzen
uns an den großen Esstisch und die Schwester verteilt Wassergläser, es ist
reichlich warm aber es nützt nichts, wir müssen da nun durch.
Man
berichtet mir von der verstorbenen Frau, 57 Jahre ist sie alt geworden, seit
fast 20 Jahren hat sie gegen den Krebs gekämpft bis es nun nicht mehr ging.
Die Familie
wünscht sich eine Trauerfeier welche der verstorbenen Karin entspricht, es soll
Musik von Udo Jürgens und von Queen gespielt werden, der Neffe will selber
singen und der Schwager ebenfalls eine kurze Rede halten.
Ich stehe
diesen Ideen positiv gegenüber, schreibe vieles mit und verlasse nach drei
Stunden das Haus, mir schwirrt der Kopf ob aller Informationen über Karin und
ihre Familie.
Der Ehemann
kam teilweise gegen seine Schwägerin kaum an, er wirkte auf mich eher
zurückhaltend und war wohl auch ganz froh, dass seine Schwägerin alles regelte.
Ich beginne
also mit der Arbeit an der Rede, als mich ein Anruf von „Bestattungen Dünkel“
erreicht, die Familie habe noch andere Musikwünsche und der Ablauf der Feier
sei auch neu geplant worden.
Man wolle
nun auch einen Song von Peter Maffay und der Schwager wisse nicht, ob er es
schaffen würde vor den Gästen zu sprechen.
Ich biete an
ihm beizustehen, er könne mir seine Worte per Mail zusenden und wenn er merkt,
dass es nicht geht, dann springe ich ein.
Alle sind
froh und einverstanden, mir fehlt aber immer noch der Song von Maffay, denn
schließlich möchte ich wissen wo der Text inhaltlich anzusiedeln ist.
Bei
„Bestattungen Dünkel“ treffen fast täglich neue Sonderwünsche der Familie ein,
selbstverständlich wird alles möglich gemacht, nur der Ton der Schwester könnte
freundlicher sein…
Mittlerweile
weiß ich, um welchen Song es sich handelt, ich kann also meine Rede darauf
abstimmen.
Am Tag der
Trauerfeier treffe ich sehr zeitig ein, in der Halle des Bestatters herrscht
bereits reges Treiben.
Die rote
Urne ist in der vorderen Mitte der Halle aufgestellt worden, umringt von einem Kranz
mit roten Rosen und weißen Tüchern, in hohen Gläsern stehen rote und weiße
Kerzen.
Ein Keyboard
ist schon aufgebaut und ein junger Mann versucht der hauseigenen Orgel das „Ave
Maria“ zu entlocken.
Die
Schwester der verstorbenen Karin springt in der Halle umher und gibt letzte
Regieanweisungen.
Der
Bestatter nimmt mich zur Seite und lässt mich wissen, dass man mich noch kurz
sprechen möchte.
Die
Schwester eilt bereits geschäftig herbei und teilt mir mit, dass wir den Ablauf
nun nochmal umstellen, ich bitte erwähnen möchte in welchem Verhältnis der Mann
am Keyboard zur verstorbenen Karin steht und dass der Song von Maffay auf
Wunsch der Verwandtschaft in Australien gespielt wird, diese könne leider nicht
dabei sein, aber man werde die Feier aufzeichnen und die CD nach Australien
senden.
Ich zücke
also Zettel und Stift und notiere die neuen Wünsche, der Mitarbeiter von Dünkel
ebenfalls, schließlich legt er die CDs ein und muss wissen für welche
Reihenfolge man sich nun entscheiden will.
Unterdessen
treffen die ersten Gäste ein, viele erscheinen in normaler Kleidung, einige
Damen in kurzen bunten Sommerkleidchen.
Eine Dame um
die fünfzig trägt ein dunkelblaues Kleidchen welches mich spontan an ein
Nachthemd erinnert, eine andere Dame um die sechzig trägt ein schwarzes Shirt
ohne Ärmel und präsentiert uns allen ihr ärmeliges Winkfleisch.
Die ersten
drei Reihen in der großen Halle sind für die Familie reserviert, die restlichen
Plätze füllen sich sehr schnell, bereits eine Viertelstunde vor Beginn der
Feier sind alle Plätze belegt, wer jetzt noch eintrifft muss hinten stehen.
Ich stehe an
dem Pult auf dem das Kondolenzbuch liegt und stelle meine kleine Wasserflasche
darauf ab, in diesem Moment kommt der Schwager auf mich zu um sich zu
versichern, dass ich auf jeden Fall einspringe, falls ihm die Worte wegbleiben
sollten, er gestikuliert aufgeregt herum und stößt meine Wasserflasche vom
Pult. Sie knallt zu Boden, der Deckel springt ab und eine Fontäne ergießt sich
in die Vordiele der Halle.
Eine Frau
kommt mit Papiertüchern angelaufen und tritt die Pfütze im Teppich damit
trocken, ich bin froh, dass der Mitarbeiter von „Dünkel“ das nicht sieht und
verziehe mich in Richtung Eingangstür um weitere Gäste zu begrüßen.
Ein junger
Mann betritt die Halle, er trägt auf dem Kopf einen Dutt, welcher jeder Oma gut
stehen würde, dazu ein geblümte Bluse und eine kurze Latzhose im Stil einer
Lederhose für kleine Jungs, an den Füßen trägt er schwarze offene Lackschläppchen.
Er stolziert mit einer Grazie durch die Halle, welche Jorge Gonzales zu einer
Planschkuh degradiert.
Es stellt
sich heraus, dass der junge Mann der Neffe von Karin ist, er wird ein Stück von
Barbra Streisand singen.
Mittlerweile
treffen immer mehr Gäste ein, teilweise stehen diese in der Diele weil kein
Platz mehr in der Halle ist, die Schiebetür muss offen bleiben, damit alle an der
Feier teilnehmen können.
Es ist
brüllend heiß draußen, die Luft in der Halle ist zum Schneiden dick, die Kerzen
tun ihr übriges.
Es geht auf
13:00 Uhr zu und wir beginnen mit der Feier, der junge Mann am Keyboard spielt
ein Stück, dann beginne ich zu sprechen, langsam rinnt mir der Schweiß den
Rücken herunter, einige Damen haben Fächer dabei und sorgen so für Frischluft
vor ihrer Nase.
Nach meiner
Rede werden die gewünschten Musikstücke gespielt, der Neffe singt und der
Schwager redet, er kommt gut zurecht und braucht meine Hilfe nicht.
Am Ende
erklingt ein Song von Queen, dann steht die Schwester auf und klatscht, alle
anderen erheben sich ebenfalls und tosender Applaus füllt die Halle.
Der
Mitarbeiter von „Dünkel“ öffnet die Eingangstür und die ersten Gäste strömen
nach draußen.
Einige
tragen sich noch in das Kondolenzbuch ein, andere bedanken sich bei mir für die
Rede.
Alle haben
Schweißperlen im Gesicht, einige Männer haben klatschnasse Oberhemden an, auch
mir ist deutlich warm.
Viele Gäste
suchen noch das Gespräch mit der Schwester, der Witwer steht etwas verloren in
der Halle, er ist bei dieser Veranstaltung eindeutig eine Randfigur.
Schließlich
leert sich die Halle, die Gäste fahren nun zum Leichenschmaus, der Witwer
bedankt sich noch bei mir und geht auch.
Zurück
bleibt die rote Urne, Karin wird anonym beigesetzt, sie hat es sich so
gewünscht und damit ihrer Familie keinen Ort zum Trauern gegeben, niemand soll
dabei sein, wenn sie beigesetzt wird, das war ihr Wunsch.
Ich sehe die
Trauer des Witwers und der Söhne und bin mir nicht sicher, ob Karin ihrer
Familie mit ihrem Wunsch einen Gefallen getan hat.
Wenn ich das so lese, dann kommt mir der (leicht zynische) Gedanke, dass Karin sicherstellen wollte, dass ihre Schwester die Grabstätte nicht vollkommen unter ihre Kontrolle bringt und ganz eigene Regeln für die Trauerarbeit aufstellt.
AntwortenLöschenTrotzdem ist eine anonyme Bestattung für Angehörige sicherlich immer schwierig, wenn es sich nicht um eine von allen Beteiligten bevorzugte und akzeptierte Bestattungsvariante handelt.