Wenn ich zu einer Familie gerufen werde, dann planen wir gemeinsam die Trauerfeier. Manchmal wird es eine Trauerfeier zur Einäscherung, manchmal eine Erdbestattung, manchmal eine Feier mit anschliessender Urnenbeisetzung. Seltener eine Feier mit Urne und anonymer Beisetzung zu einem späteren Zeitpunkt.
Alles aber haben diese Trauerfeiern gemeinsam: Schön sollen sie sein, die Persönlichkeit des verstorbenen Menschen spiegeln und ein guter Abschied für die Angehörigen soll es sein.
Dazu gehört nicht nur ein schöner Sarg oder eine schöne Urne, dazu gehören auch Blumen, Kerzen und: Musik!
Die Auswahl der Musik ist den Angehörigen überlassen, einige Familien wissen schon sehr genau was sie hören wollen wenn ich zu ihnen komme, andere sind völlig ratlos.
Den ratlosen biete ich meine Hilfe in der Form an, dass ich sie frage, was der oder die Verstorbene gerne gehört hat, oftmals kommen dann die abenteuerlichsten Interpreten hervor.
Findet die Trauerfeier in der Halle des Bestatters statt, sind wir völlig frei, können die Orgel hören oder Musik von der CD oder beides oder auch musikalische Darbietungen vor Ort.
Die völlig ratlosen lassen sich gerne beraten, auf meinem Smartphone habe ich allerlei Musik "zum reinhören" parat, sodass es den Angehörigen etwas leichter fällt sich zu entscheiden.
Oftmals wird es dann die "Morgenstimmung", das "Largo" oder das "Air", manchmal auch "Pachelbel Canon D Major", eines meiner persönlichen Lieblingsstücke.
Gerne gemommen wird auch "Von guten Mächten", auch dieses Stück empfehle ich reinen Herzens.
Einige Male haben etwa ältere Witwen sich zur Trauerfeier des Gatten ein Stück von Semino Rossi gewünscht: "Aber dich gibts nur einmal für mich"
Anfangs habe ich innerlich geschmunzelt, aber als ich während der Trauerfeiern bemerkte, wie wichtig es für die Frauen ist grade dieses Stück nocheinmal zu hören, zu dem man viele Jahre gemeinsam getanzt hat, bin ich eines besseren belehrt.
Manchmal ist es auch so, dass ein Tenor in der Halle singt, oder ein Familienmitglied mit Gesangsausbildung, auch das war immer sehr schön.
Besonders beliebt ist: Unheilig, "Geboren um zu leben", dieses Stück habe ich schon mehrfach auf einer Feier erlebt, sowohl bei jungen als auch älteren Verstorbenen. Auch "November Rain" in der acht minütigen Fassung war schon dabei.
Gefragt sind auch Stücke aus Musicals welche man gemeinsam besucht hat oder manchmal auch Schlager von Andrea Berg.
Auch ein sozialkritischer Song von BAP war schon dabei, dieses hatte der verstorbene Mann sich gewünscht und diesen Wunsch auch schriftlich hinterlegt, was er sich dabei dachte, blieb leider sein Geheimnis.
Manchmal sind auch die Organisten überfordert, seit ich einmal erleben musste, dass eine Organistin offenbar nur drei Stücke spielen konnte, frage ich vorher an, ob die gewünschten Stücke vom Organisten angeboten werden können!
Heikel wird es auch, wenn die Musik von der CD kommen soll, aber nicht alle gewünschten Stücke sich auf einer CD befinden.
Hier ist eine genaue Absprache mit dem Mitarbeiter des Bestatters nötig, aber auch die ist keine Garantie dafür, dass alles reibungslos klappt.
Manchmal bringen die Angehörigen ihre CDs mit und diese verschwinden dann nach der Feier im Orbit, sodass die Angehörigen immer wieder bei mir anrufen und die besagte CD zurückfordern, solange bis mir (innerlich) der Hut brennt und ich sie auf das Bestattungshaus verweise.
So geschehen nach einer Trauerfeier auf der die Witwe die Titelmelodie einer amerikanischen Serie hören wollte, von der ich bis dato nie gehört habe...
Es handelte sich dabei um eine "gebrannte" CD, ein freundlicher Nachbar hatte ihr die Musik aus dem Internet gesaugt, es wäre also jederzeit möglich gewesen diese CD nocheinmal anzufertigen. Aber nein, immer wieder rief sie mich an und bestand darauf, dass ich ihr die CD besorgen müsste, ich hätte sie schliesslich dem Mitarbeiter von "Bestattungen Stiefelknecht" gegeben.
Irgendwann habe ich ihr gesagt, sie möge bei "Stiefelknecht" vorstellig werden, ich könne für sie nichts mehr tun!
Auf einer anderen Trauerfeier spielte ein Musiker in der Halle auf der Querflöte und am offenen Grab auf der Gitarre, diese Feier habe ich in besonders schöner Erinnerung, ebenso eine Feier mit Chello oder Geige am Grab.
Kurzum, fast jede Form von Musik ist mittlerweile auf einer Beerdigung "salonfähig", sofern sie die guten Sitten nicht verletzt.
Ich persönlich befürworte jede persönliche Untermalung auf einer Trauerfeier, sei sie für aussenstehende auch fremdartig.
Die Trauerfeier ist der Abschluß eines Lebens, sie sollte so sein, wie der verstorbene Mensch war, manchmal laut, manchmal leise oder schrill...
...so fragte mich ein Angehöriger eines Verstorbenen, als ich ihn zum Trauergespräch aufsuchte. Denn ich bin Trauerredner!
Freitag, 27. September 2013
Donnerstag, 12. September 2013
Urne auf dem Küchentisch
Ich wuchte meine Einkaufstaschen in den Kofferraum, schließe
die Heckklappe und klemme mich hinter das Lenkrad. In diesem Moment bimmelt
mein Handy, eine Dame ruft mich an und fragt, ob sie bei mir richtig sei, sie
wolle einen Redner für die Trauerfeier ihrer Mutter buchen.
Ich bestätige ihr dass sie bei mir richtig ist und sie
erzählt, dass ihre Mutter im Sterben liege, sie sei zuhause und solle dann in
einem Friedwald beigesetzt werden, dieser sei aber 60 km entfernt, ob ich
bereit sei den Auftrag anzunehmen.
Selbstverständlich bin ich bereit, den Auftrag anzunehmen,
Bestattungen in Friedwäldern übernehme ich sehr gerne weil die Atmosphäre immer
sehr schön ist.
Wir verabreden uns für ein Gespräch und ich lege auf und
düse mit den Lebensmitteln im Heck durch die Affenhitze nach Hause.
Zwei Tage später treffe ich am frühen Abend bei Frau K. ein,
sie lebt in einer kühlen Altbauwohnung mit Garten, zwei Katzen begrüßen mich
und wir setzen uns an den großen Küchentisch.
Frau K. berichtet mir vom Verlauf der Erkrankung ihrer
Mutter, danach gehen wir hinüber in das Schlafzimmer der Mutter, sie liegt im
Bett und hält einige Photos in der Hand, der Raum duftet angenehm nach einem
guten Öl und die Katzen streunen durch das Zimmer.
Frau H. hat Krebs und wird nun zuhause palliativ versorgt,
sie hat nach der Chemo wieder Haare, ganz kurz und grau.
Ich setze mich auf den Korbsessel neben dem Bett und stelle
mich vor, Frau H. blickt zu mir herüber, sie ist durch das Morphium etwas
schläfrig und nach wenigen Minuten verabschiede ich mich wieder.
In der Küche bespreche ich noch einiges mit der Tochter, sie
hat Musikwünsche und für die Trauerkarte einen irischen Reisesegen ausgesucht,
welchen in bitte in die Rede einfügen soll, allerdings in weiblicher Form, denn
Gott sei nach ihrer Auffassung weiblich.
Feministische Theologie sei außerdem ein weites Feld…
Wir besprechen also die Musik und den Ablauf der Feier,
allerdings ist Frau K. sich nicht sicher, wie sie es denn nun genau haben will
und ich schlage vor, dass wir und in einigen Tagen noch einmal treffen, sie
stimmt zu und wir verabreden einen Termin.
Wenige Tage später ruft sie mich an und berichtet, dass ihre
Mutter verstorben sei, ganz friedlich und entspannt mitten in der Nacht zum
Montag. Wie mit dem Bestatter vereinbart habe sie ihre Mutter noch zwei Tage
bei sich behalten, habe sie gewaschen und eingekleidet und Zwiesprache mit ihr
gehalten.
Mittlerweile habe der Bestatter die Mutter abgeholt und zum
Krematorium gebracht, die Urne wolle sie sich dann abholen und zuhause
aufbewahren bis zum Tag der Beisetzung.
Ich schmunzle innerlich über das Vorgehen meines
Lieblingsbestatters, sage aber nichts dazu, wie verabredet erscheine ich zum
zweiten Gespräch und wir legen nun endgültig fest, in welcher Reihenfolge die
Trauerfeier nun gestaltet werden soll.
Am Tag der Beisetzung scheint die Sonne, aber diese
furchtbare Hitze ist abgeklungen und ich fahre nach D. zum Friedwald.
Ich düse über die Autobahn und es wird zusehends ländlicher,
als ich von der Autobahn abfahre bin ich im platten Land, um mich herum Felder
und Wiesen und Kühe und Pferde.
Das Navi prophezeit noch 13 Kilometer und ich fahre
gemütlich übers Land. Ich folge der Stimme des Navis, bis diese plötzlich
schweigt. Der Bildschirm zeigt einen Pfeil irgendwo im nirgendwo und ich frage
mich, was das soll. Endlich erblicke ich ein Hinweisschild zum Friedwald,
leider danach kein weiteres mehr und ich fahre über die Landstraße ohne Plan
und Ziel.
Endlich kommt ein Fahrzeug aus einem Waldweg, ich hupe und
frage den Fahrer nach dem Weg, er kennt sich aus und schickt mich in die andere
Richtung, dann rechts und schon bin ich da.
Auf dem Parkplatz des Friedwaldes sind bereits einige
Trauergäste eingetroffen, ich bleibe im Wagen und warte bis Frau K. eintrifft,
sie erscheint wenig später und hat die Urne ihrer Mutter in einer großen Tasche
bei sich.
In den Tagen zwischen Kremierung und Beisetzung hat die Urne von Frau H. auf dem Küchentisch gestanden und "am Familienleben teilgenommen". Es sei ganz natürlich gewesen erklärt mir die Tochter, so selbstverständlich und richtig.
Ich nicke höflich und schweige dazu, meine Meinung behalte ich lieber für mich...
Gemeinsam mit dem Förster gehen wir nun zu der Lichtung auf
der ein großer Stein und Sitzbänke stehen, wir dekorieren den Stein mit dem
Lieblingsschal der verstorbenen Frau und stellen ein Photo und Blumen dort
zurecht.
Die Gäste nehmen Platz auf den rustikalen Holzbänken, die
Sonne glitzert durch die Bäume, die Vögel singen und es herrscht eine fast
heitere Stimmung.
Der Wald strahlt eine herrliche Ruhe aus, die Natur duftet
gut und in einiger Entfernung stehen Kühe auf einer Weide.
Als alle Gäste Platz genommen haben, erklingt Musik aus dem
tragbaren CD Player, danach beginne ich zu sprechen.
Wir hören die Vögel zwitschern und die Kühe muhen und alles
um uns herum ist sonnig.
Am Ende meiner Rede erklingt Musik von den Beatles, danach
gehen wir gemeinsam mit dem Förster zu dem Baum unter dem Frau H. beigesetzt
wird.
Am Baum angekommen lese ich den irischen Reisesegen in
weiblicher Form, dann versenkt der Förster die Urne.
Nacheinander treten die Gäste vor und legen noch Blumen ab,
verneigen sich und halten noch stille Zwiesprache.
Der Förster und ich gehen zum Ausgang unsere Aufgabe ist
erledigt, die Zeit am offenen Grab gehört der Trauergemeinde alleine.
Ich verabschiede mich und steige in den Wagen und sage der
Dame im Navi dass ich nach Hause möchte, sie ist immer noch völlig
orientierungslos, erst auf der Landstraße erwacht sie aus dem
Dornröschenschlaf.
Es geht zurück in Richtung Autobahn, auf der Landstraße gilt
Tempo 70 und Überholverbot. Ich fahre also ordnungsgemäß über die Landstraße
und erfreue mich an der umliegenden Natur, als neben mir ein lautes Hupen
erklingt. Ich werde schnittig überholt, trotz Tempolimit und Überholverbot, am
Kennzeichen erkenne ich dass es sich um
einen „Eingeborenen“ handelt.
Er schert vor mir wieder ein und zieht zügig von dannen,
vermutlich dachte er es gilt Tempo 70 pro Reifen.
Ich halte mich weiterhin an Tempo 70 und gelange zur Autobahnauffahrt,
ich düse nun zurück in die Stadt und nehme mir fest vor aufs Land zu ziehen,
wenn die Kinder aus dem Haus sind.
Mittwoch, 11. September 2013
Mc Funeral
Von meinem Lieblingsbestatter bekomme ich einen Auftrag für
eine Trauerfeier zur Einäscherung, das heißt: Der Sarg wird zur Trauerfeier in der
hauseigenen Halle aufgebahrt, schön mit Blumen dekoriert und mit Kerzen und
Tüchern wird eine schöne Atmosphäre hergestellt.
Bei der verstorbenen Frau handelt es sich um eine 45-jährige
Frau, sie war seit vielen Jahren schwer depressiv und hat sich nun das Leben
genommen.
Ich atme durch und nehme den Auftrag an, rufe die Mutter der
Frau an und vereinbare einen Termin zum Hausbesuch, es ist bullenheiß draußen,
ich könnte mir schöneres vorstellen als diesen Besuch zu unternehmen aber es
hilft nichts, ich muss hinfahren.
Die Mutter und ihr Lebensgefährte erwarten mich in ihrer
kleinen Wohnung, die Handtasche der Tochter liegt auf dem Sofa, der Inhalt ist
über den Tisch verstreut.
Wir gehen nach nebenan in das Esszimmer, man bietet mir ein
Glas Wasser an, ich klappe meine Schreibmappe auf und beginne vorsichtig das
Gespräch.
Tinas Mutter weint und ihr Lebensgefährte beginnt zu
erzählen, ich erfahre, dass Tina seit vielen Jahren schwer depressiv war, dass
sie deshalb berentet war und starker Betreuung bedurfte. Jeden Tag habe man sie
mehrfach angerufen, habe sie in den Alltag eingebunden, sie abgeholt,
eingeladen, mitgenommen, alles haben man unternommen um ihr Lebensfreude zu
spenden.
Auch Tinas Lebenspartner habe sich alle Mühe gegeben, aber
nichts habe geholfen. Schließlich habe Tina sich am Vortag von ihrem Freund verabschiedet und ihm gesagt,
sie wolle mit dem Bus zu ihrer Mutter fahren. Dort kam sie nie an. Am frühen
Abend rief der Lebenspartner bei der Mutter an um nach Tina zu fragen, erst
jetzt bemerkte man, dass sie weder bei der Mutter war noch zuhause. Eine
Suchaktion startete und der Lebenspartner der Mutter fand Tina am Abend auf dem
Dachboden über ihrer Wohnung, sie hatte sich erhängt und bereits einige Stunden
bei brütender Hitze auf dem Dachboden gehangen…
Man zeigt mir Bilder von Tina, ich bin erschüttert, auf den
Bildern sieht man eine junge, sehr schöne Frau, lange blonde Haare, eine
Traumfigur und schöne Augen, es ist kaum zu glauben, dass diese Schönheit so
schwer depressiv war.
Ich erfahre, dass auch Tinas Vater unter Depressionen
gelitten hat und sich ebenfalls auf dem Dachboden erhängt hat, Tinas Mutter tut
mir leid, sie weint und ist fassungslos, kann kaum sprechen und wirkt krank und
müde.
Ich notiere mir einiges, frage nach Musikwünschen und
versichere, dass jeder Musikwunsch völlig in Ordnung ist, die Feier wird in der
Halle des Bestatters stattfinden, wir sind dort völlig frei in unserem Handeln
und können die Feier so gestalten, wie es für die Angehörigen gut und richtig ist.
Ich verabschiede mich schließlich und fahre nachdenklich
nach Hause, dieser Trauerfall ist auch für mich nicht einfach, Tina war so jung
und die Mutter muss nun den zweiten Selbstmord verkraften, sie hat erst den
Ehemann und nun auch ihr einziges Kind verloren.
Am Abend telefoniere ich mit Tinas Lebenspartner, auch er
möchte mich sprechen, wir verabreden und in einem Cafe für den nächsten
Vormittag.
Mit meiner Familie sitze ich noch am Frühstückstisch als
mich der Anruf des Mannes erreicht, das Cafe sei übervoll, er sitze bei MC
Donald und erwarte mich dort. Ich bestätige den Termin, trinke meinen Kaffee
aus und mache mich fertig, meine Familie wird derzeit den Einkauf erledigen.
Pünktlich fahre ich auf den Parkplatz des Klopsbraters,
nehme meine schwarze Ledermappe und betrete das Außengelände, als mir ein
einzelner Mann schon zuwinkt. Ich trete an den Tisch heran und wir stellen uns
einander vor, er möchte diesen Tisch behalten und ich setze mich.
Um uns herum toben Kinder über die Spielgeräte, aus den
Lautsprechern dringt sehr zeitgenössische Musik und am Nachbartisch unterhalten
sich lautstark Menschen in fremder Sprache.
Ich füge mich in mein Schicksal, klappe meine Mappe auf und
beginne das Gespräch. Zunächst erfahre ich wenig neues, er erzählt von Tinas
Depressionen und davon, dass er 9 Jahre versucht hat ihr zu helfen.
Er sei aber schon länger am Ende seiner Kraft und habe die
Trennung gewollt, Tina wusste das und sei darüber traurig gewesen.
Nun fühle er sich schuldig an ihrem Selbstmord, er mache
sich Vorwürfe und wolle unbedingt sofort wieder arbeiten gehen, sein Chef habe
ihm Urlaub angeboten, aber den habe er abgelehnt, er wolle keine Auszeit
sondern „normal“ weitermachen.
Ich höre zu und denke mir meinen Teil, die Klopsbratbude ist
der denkbar schlechteste Ort für ein tiefschürfendes Gespräch außerdem ist es
furchtbar heiß und die Sonne brennt mir auf den Rücken.
Auf meine Nachfragen wünscht er sich ein Musikstück aus dem
Musical „Der König der Löwen“, dort sei er mit Tina gewesen und beiden habe es
sehr gut gefallen, es sei ein glückliches Wochenende in Hamburg gewesen.
Wir verabschieden uns und ich bin froh, dieser Situation
entkommen zu können, mir ist warm und ich freue mich auf ein Glas Wasser und
darauf meine dunkle „Gesprächskleidung“ ausziehen zu können.
Am nächsten Tag teilt man mir weitere Musikwünsche mit und
ich beginne mit der Arbeit an meiner Rede, ich finde passend zu der Musik aus
dem Musical ein passendes afrikanisches Sprichwort und freue mich, dass mir
dennoch eine Rede gelungen ist, welche trotz aller Schwermut auch die Hoffnung
von Tinas Mutter auf ein „helles Licht“ für Tina ausdrückt.
Pünktlich treffe ich am Tag der Trauerfeier bei meinem
Lieblingsbestatter ein, wir erledigen im Büro meine Rechnung und ich gehe rüber
in die Halle. Der helle Verbrennersarg ist schön mit Blumen und Tüchern
dekoriert, Kerzen brennen und die bunten Glasfenster werfen ein schönes Licht
in die Halle.
Die ersten Gäste treffen ein und nehmen Platz, ich stehe im
Eingangsbereich und begrüße zusammen mit dem Mitarbeiter von „Bestattungen
Dünkel“ die Gäste.
Auch Tinas Mutter erscheint zusammen mit ihrem
Lebenspartner, sie betritt die Diele und geht langsam auf den Eingang der Halle
zu, dann erblickt sie den geschmückten Sarg, bleibt stehen und beginnt zu
weinen, sie dreht sich um und will zurück in Richtung Ausgang, der
Lebenspartner hält sie fest, redet leise auf sie ein und drängt sie sanft in
die Halle.
Ich reiche ihr meinen Arm und gemeinsam führen wir sie auf
ihren Sitzplatz in der ersten Reihe, sie nimmt Platz und starrt auf den Sarg
ihrer Tochter.
Tinas Lebenspartner trifft ebenfalls ein und nimmt am Ende
der ersten Reihe Platz, er ist in Begleitung einer jungen Frau gekommen.
Nach und nach treffen die Trauergäste ein und nehmen Platz,
viele weinen und wirken fassungslos, obwohl alle wussten, wie schwer depressiv
Tina war ist ihr Tod nun doch etwas unfassbares.
Das erste Musikstück ist verklungen und ich beginne zu
sprechen, einige nicken während ich rede, andere weinen vernehmlich.
In der Mitte der Rede spielen wir das Stück aus dem Musical,
Tinas Freund sitzt mit geschlossenen Augen wie erstarrt da.
Ich spreche weiter und am Ende meiner Rede hören wir eine
Popballade gesungen von fünf Tenören.
Ich verbeuge mich vor dem Sarg und verlasse das Rednerpult,
der Mitarbeiter legt eine CD mit ruhiger Musik ein, leise dudelt sie vor sich
hin.
Tinas Mutter erhebt sich langsam und geht zusammen mit ihrem
Partner und Tinas Freund zum Sarg. Zu dritt stehen sie da, weinen und
verharren. Schließlich legt Tinas Mutter ihre Hand auf den Sarg ihrer Tochter,
verabschiedet sich von ihrem Kind und lässt sich aus der Halle führen.
Nacheinander treten nun die anderen Gäste an den Sarg, legen
Blumen ab, sprechen einige Worte und gehen zum Ausgang.
Dort allerdings staut sich alles, denn Tinas Mutter steht
direkt am Ausgang und nimmt die Worte der Gäste entgegen, es dauert lange bis
alle bei ihr waren du ihr kondoliert haben.
Danach kommt sie noch einmal mit ihrem Partner in die Halle,
geht nochmal zu Sarg und spricht mit ihrem Kind. Dann wendet sie sich ab und
verlässt die Halle.
Auch Tinas Freund kommt noch einmal zurück, er setzt sich in
die erste Reihe und spricht halblaut vor sich hin, er gestikuliert, weint und
erzählt, den Blick fest auf Tinas Sarg gerichtet. Dann steht er auf, kommt zu
mir und bedankt sich für die Rede auch bei der Organistin bedankt er sich und
geht.
Die Halle ist nun leer, einsam steht der Sarg mit der toten
schönen Frau noch da, die Mitarbeiter von „Bestattungen Dünkel“ löschen die
Kerzen, die Organistin verabschiedet sich und geht.
Tinas Sarg wird noch am Nachmittag zum Krematorium gebracht
werden, sie wird verbrannt und anonym beigesetzt, so habe sie es sich immer
gewünscht.
Die Mutter hat diesen Wunsch umgesetzt.
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