Ich erhalte einen Auftrag meines Lieblingsbestatters, eine
ältere Dame ist verstorben, ich erhalte wie immer die Daten der Familie und
melde mich dort telefonisch.
Wir vereinbaren einen Hausbesuch am Abend, als ich eintreffe
ist es schon dunkel und das Haus ist weihnachtlich erleuchtet.
Todesfälle in der Adventszeit sind immer hochsensibel, denn
grade in dieser kuscheligen Jahreszeit ist es noch schlimmer einen lieben
Menschen zu verlieren.
Ich betätige die Klingel und die Tochter der verstorbenen
Frau öffnet mir die Tür und begrüßt mich freundlich.
Sie bittet mich in ihre Wohnung, unten wohnt sie mit ihrer
Familie, oben wohnen ihre Eltern, bzw. jetzt nur noch ihr Vater. Im Wohnzimmer
sitzen bereits besagter Witwer, Herr R., der Schwiegersohn, eine weitere
Tochter und ein Enkel mit seiner Ehefrau.
Der Raum ist sehr geschmackvoll eingerichtet und auch hier
ist alles sehr liebevoll weihnachtlich dekoriert.
Ich nehme Platz und die Tochter bietet mir einen Tee mit
Weihnachtsgewürzen an, es fällt mir schwer nun meine Mappe aufzuklappen und das
Gespräch über die verstorbene Frau zu beginnen.
Es hilft aber nichts, also taste ich mich vorsichtig heran
und frage, was denn gewünscht wird, wie die Trauerfeier gestaltet werden soll
und ob es Musikwünsche gebe.
Der Witwer beginnt sofort zu weinen und kann sich nur schwer
fassen, dann berichtet er aufgeregt, seine Frau sei einem ärztlichen
Kunstfehler zum Opfer gefallen, alles sei verpfuscht worden, eine kleine
Operation sollte es werden, aber nichts habe geklappt, man habe erneut
operieren müssen und seiner Frau sei es immer schlechter gegangen, letztlich
sei sie auf die Intensivstation gekommen und dort auch verstorben. Die Ärzte
seien an allem schuld, alle hätte keine Ahnung gehabt und nun, drei Monate vor
dem 60. Hochzeitstag sei ihm die Frau gestorben.
Alles sei schon geplant gewesen für die Feier zum
Hochzeitstag, man habe einen Saal gemietet, Musik bestellt, Buffet in Auftrag
gegeben und Einladungen verschickt und nun das.
Der Witwer weint laut vor sich hin und die Tochter reicht
ihm eine Box mit Taschentüchern. Ich bin berührt von seiner Trauer und mir wird
klar, dass ich hier besonders vorsichtig agieren muss.
Ich wende mich also den anderen Familienmitgliedern zu und
lasse mir noch einiges erzählen, alle sind sehr traurig, denn die verstorbene
Dame war offenbar der Mittelpunkt der Familie. Ihre Kochkünste werden
hochgelobt, ihre Kuchen seien die allerbesten gewesen und Mutter sei immer sehr
gastfreundlich gewesen. Man habe quasi ein offenes Haus geführt, Freunde der Kinder
waren stets willkommen und wurden herzlich bewirtet, es sei immer eine
Atmosphäre gewesen.
Auch in späteren Jahren habe Mutter immer für jeden ein Herz
und ein offenes Ohr gehabt, sie habe immer an alle gedacht nur nie an sich
selbst.
Auch die Enkelkinder waren ihre stete Freude, sodass ein
Familienleben ohne Mutter nun undenkbar sei.
Ich mache mir einige Notizen und frage nochmal nach
Musikwünschen, es soll ein Stück von Trude Herr gespielt werden, „Niemals geht
man so ganz“ und ein weiteres Stück von Unheilig.
Ich seuftze innerlich, Unheilig wird mittlerweile auf jeder
zweiten Feier gedudelt und geht mir schon auf die Nerven. Aber wenn die
Angehörigen es hören wollen, dann bitte.
Ich habe genug Informationen zusammen und verabschiede mich,
die Familie erhält von mir meine Rednerkarte und den Hinweis, dass ich bis zur
Trauerfeier jederzeit zu sprechen bin, aber es meldet sich niemand und so
bereite ich die Feier wie besprochen vor.
Am Tag der Beisetzung ist es bitterkalt, es ist kurz vor
Weihnachten und der Wind pfeift schnittig über den Deich.
Auf dem kleinen Friedhof im Dorf haben sich bereits einige
Trauergäste versammelt, ich grüße freundlich und betrete die kleine Kapelle,
der Mitarbeiter ist schon dabei den Sarg zu schmücken und die Kerzen anzuzünden.
Ich wünsche einen guten Morgen und lege meine Mappe auf dem
Rednerpult ab, dann helfe ich schnell noch einige Kerzen zu entzünden.
Der Mitarbeiter reicht mir einen Umschlag mit Bargeld, er
bekommt von mir das Kuvert mit meiner Rechnung, er öffnet es, zieht die
Rechnung hervor und ich quittiere ihm den Empfang des Geldes.
Dann testen wir den CD Spieler, alles ist bestens und ich
gehe hinüber zu den sechs Trägern, welche nach der Trauerfeier den Sarg aus der
Halle ziehen werde und ins Grab ablassen werden.
Wir verabreden, dass ich am Grab erst den kurzen Text lese
und die Herren dann den Sarg absenken, alles ist besprochen und die sechs
Herren gehen noch einmal vor die Tür um eine zu rauchen.
Ich begebe mich an mein Rednerpult und lese meine Text
nocheinmal durch, es ist schrecklich kalt in der Halle und ich beschließe
meinen Mantel anzubehalten, denn direkt nach der Rede reihe ich mich ja zum
Auszug hinter den sechs Trägern ein.
Langsam füllt sich die Trauerhalle, die Familie kommt
zuletzt und nimmt in den vorderen Reihen Platz, der Witwer sieht schlecht aus,
er wirkt müde und trägt dicke Wanderschuhe mit Profilsohle, denn draußen liegt
seit einigen Tagen Schnee.
Als alle Gäste anwesend sind, schließt der Mitarbeiter von „Bestattungen
Dünkel“ die Tür der Kapelle und startet den CD Spieler, Graf Unheilig sing sein
finsteres Liedgut, danach spreche ich. In der Mitte der Rede hören wir Trude
Herr zu, dann spreche ich weiter, am Ende der Rede erkling ein weiteres Mal der
unheilige Graf.
Dann ist alles wie immer: Die sechs Träger kommen nach
vorne, verbeugen sich, heben den Sarg an und tragen ihn durch den Mittelgang
bis zur Tür, dort wartet der kleine Leichenwagen. Der Sarg wird auf die Bahre
geschoben, einer der Herren zieht vorne an der Lenkstange, die anderen
schreiten würdig nebenher, ich folge.
Hinter mir geht zuerst die Familie, dann folgen die anderen
Gäste.
Wir gehen gemessenen Schrittes zum Grab, es ist nebelig,
kalt und windig, ein kalter grauer Vormittag an dem man lieber am bullernden
Ofen bleibt, als über einen zugigen Friedhof zu gehen.
Mittlerweile sind wir am Grab angekommen, rechts und links
der Gruft liegen Metallschienen auf denen es ob des Wetters leider sehr glatt
ist. Die sechs Träger haben alle Mühe die Schienen zu betreten und den Sarg
sicher zu halten. Sie stellen ihn schliesslich auf den beiden Holzbalken ab,
welche über dem Erdloch liegen und warten darauf, dass ich meinen Text verlese.
Inhaltlich geht es dabei um Gedanken, welche sich ein
sterbender Mensch macht und versucht seine Angehörigen zu trösten, grade als
ich ankomme bei:“ ich werde sein wie eine Schneeflocke“ beginnt es heftig zu
schneien.
Ich lese also weiter und am Ende des Textes nicke ich einem
der Träger zu, er bückt sich, zieht die Holzbalken unter dem Sarg weg und an
zwei Seilen lassen die Träger nun den Sarg herab, einer findet mit den Füßen
keinen Halt auf der Metallschiene und macht einen kleinen Ausfallschritt, er
fängt sich aber und der Sarg kommt sicher auf dem Boden des Grabes an.
Die sechs Träger verbeugen sich und werfen ihre weißen
Handschuhe ins Grab, dann treten sei vorsichtig von den Schienen und begeben
sich auf den Weg zur Kapelle. Ich verbeuge mich ebenfalls am Grab und folge den
Trägern.
Ich erreiche meinen Wagen und stelle die Heizung auf volle
Granate, mir ist elendig kalt und ich freue mich auf unsere warme Wohnung und
einen heißen Tee.
Zwei Tage nach der Trauerfeier bin ich im Auftrag meiner
Familie in unserer Drogerie und kaufe, was die Damen mir auf den Zettel
geschrieben haben. An der Kasse steht der Witwer von Frau R. und hält eine
Packung Rasierklingen in der Hand, ich begrüße ihn freundlich und er guckt mich
an und sagt.“ Ihr Gesicht kenne ich, Sie habe ich schon mal irgendwo gesehen“
„Aber sicher“, sage ich freundlich, „ich habe vor zwei Tagen
gemeinsam mit Ihnen Ihre verstorbene Frau beigesetzt“
„Ach ja“, grunzt er, „ja richtig“, er deutet auf seine
Rasierklingen und sagt:“ Ist schon Mist wenn einem die Frau stirbt, nun muss
ich sowas selber erledigen“
Ich schenke ihm ein höfliches Lächeln, bezahle meinen
Einkauf und gehe.