Ich erhalte eine Anfrage für eine Trauerfeier, ich habe Zeit
und sage zu. Die verstorbene Frau war 58 Jahre alt, sie verstarb innerhalb von
sechs Monaten an einer Krebsdiagnose und ich sitze nun mit dem Ehemann im
Wohnzimmer um seine Wünsche für die Trauerfeier zu besprechen.
Ich stelle also die üblichen Fragen, erhalte aber nur wenig
Auskunft, der Ehemann ist wortkarg und karg ist auch die Einrichtung der
kleinen Wohnung. Es gibt im Wohnzimmer nur ein Sofa, eine weiße Schrankwand und
einen Glastisch, an einer Wand hängen zwei Schwerter, darunter steht das leere
Pflegebett. Keine Bilder, keine Bücher oder Zeitschriften, nichts was darauf
hindeutet, dass der Raum bewohnt und belebt wird.
Der Ehemann erzählt schließlich von achtzehn Jahren Ehe, davon
dass beide glücklich miteinander waren und keine Kinder haben. Man habe sehr
zurückgezogen gelebt, beide waren nach der Arbeit froh ihre Ruhe zu haben.
Einen Freundeskreis gäbe es nicht, man habe die Gesellschaft anderer Menschen
nicht gesucht und sei viel lieber zu zweit alleine gewesen.
Ich frage nach Hobbys und Vorlieben der verstorbenen Frau,
erfahre aber, dass sie nicht gelesen habe, es gab keine Sendungen im TV welche
sie gerne geschaut habe und über den Musikgeschmack seiner Frau wisse er
nichts.
Einzig der kleine Garten sei ihr lieb gewesen, aber dort sei
man auch immer zu zweit gewesen, man habe keinen Gefallen daran gefunden mit
anderen Menschen eine Wurst zu grillen oder sich zu unterhalten.
Ich bin innerlich erstaunt, ich hatte doch etwas mehr
erwartet, aber leider zieht sich das Gespräch wie Gummi.
Ich frage noch vorsichtig nach dem Krankheitsverlauf und der
Ehemann berichtet mir, dass alles sehr schnell gegangen sei, innerhalb von
sechs Monaten sei seine Frau verstorben und zuletzt habe sie das Pflegebett
hier im Wohnzimmer gehabt. Darin sei sie auch vorgestern verstorben. Er habe
dann sofort Bestatter Knud Knudsen angerufen und der habe doch tatsächlich fast
zwei Stunden gebraucht um die tote Frau abzuholen. Er habe also mit seiner
toten Frau im Bett hier gesessen und nichts sei passiert, zwei Stunden habe er
gewartet, er sagt, er findet das unerhört, es sei unzumutbar für ihn gewesen und
er findet das unerhört.
Ich bin sehr erstaunt über diese heftige Reaktion und frage
ihn, ob er diese zwei Stunden nicht als Abschied empfunden habe, er verneint
das vehement und betont noch einmal wie unerhört er das findet, dass Bestatter
Knudsen ihm zwei Stunden mit seiner toten Frau zugemutet habe.
Ich stelle dazu keine weiteren Fragen mehr, aber Herr B.
poltert wieder los:“ Und dieses Bett, was soll ich damit, ich habe als der
Knudsen mit meiner Frau raus war sofort das Sanitätshaus angerufen, aber dort
sagte man mir, es kann eine Woche dauern bis jemand das Bett abholt.“
Wütend zündet er sich eine weitere Zigarette an und perzt
mich voll. Ich frage nun noch einmal nach seinen Musikwünschen, er bleibt dabei
das seine Frau keine bestimmte Musik gehört habe und ich schlage also vor die
Orgel zu bestellen und etwas ruhiges spielen zu lassen. Herr B. stimmt zu und
ich klappe meine Mappe zu, alles weitere hat hier keinen Sinn, ich muss also
zusehen wie ich aus den wenigen Informationen eine Rede schreibe.
Ich stehe auf und verabschiede mich, durch den Laubengang
verlasse ich das Haus und gehe zurück zu meinem Wagen.
Am Tag der Beisetzung steht die Urne schön dekoriert in der
kleinen Trauerhalle des Friedhofes, ich bin pünktlich und spreche noch mit dem
Organisten, er hat eine Mappe voller Noten dabei und wir besprechen die
Musikauswahl. Er spielt „So nimm denn meine Hände“ und zwei weitere Stücke aus
der typischen Beerdigungsmusik und mir ist es irgendwie auch egal, denn Herr B.
konnte oder wollte dazu keine sachdienlichen Hinweise geben.
Herr B. erscheint nun im dunklen Anzug, außer ihm gibt es
noch sechs weitere Trauergäste, die Eltern seiner Frau sind schon verstorben,
aus der Firma seiner Frau ist niemand erschienen.
Der alte Knudsen schließt die Tür der Halle und der Organist
beginnt zu spielen, dann spreche ich über achtzehn Jahre Ehe und gelebter
Zweisamkeit welche offenbar keine Impulse von außen brauchte und darüber wie
gerne die Verstorbene in ihrem Garten gesessen hat.
Herr B. sitzt regungslos auf seinem Stuhl, er wirkt, als ob
ihn das alles nicht interessiert, die kurze Trauerfeier ist kühl und
unpersönlich, meine Rede ist kurz und ich betone wie sehr Herr B. seine Frau in
der Phase der Krankheit begleitet hat und wie fürsorglich er sich um sie bemüht
hat.
Das alles mag auch der Wahrheit entsprechen, gesagt hat Herr
B. das alles zwar nicht, aber ich unterstelle es ihm freundlicherweise.
Am Ende meiner Rede spielt die Orgel und der alte Knudsen
öffnet die Tür der Halle. Zwei Träger kommen herein, verbeugen sich vor der
Urne und nehmen das Gestell mitsamt der Urne und wenden sich dem Ausgang zu.
Ich folge den beiden in gemessenem Schritt und wir erreichen bald das kleine
Urnenfeld.
Als alle angekommen sind lese ich noch einen kurzen Text,
dann versenkt Knudsen die Urne im Erdreich. Wir verbeugen uns noch einmal und
gehen zum Ausgang des Friedhofes. Wenn die wenigen Trauergäste weg sind, wird
der Mitarbeiter des Friedhofes das Urnengrab schließen und die wenigen Blumen
schön darüberlegen.
Als ich an meinem Wagen ankomme, stelle ich fest, dass meine Fensterscheibe an der
Beifahrerseite eingeschlagen ist, das Handschuhfach steht offen und ist leer,
leider hatte ich meine Brieftasche für die Dauer der Beisetzung darin
deponiert.
Den Rest des Tages verbringe ich damit, den Vorfall der
Polizei zu melden, meine Kreditkarte sperren zu lassen und mich um eine
Notverglasung zu kümmern…
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